Freitag, 16. Januar 2015

Ein paar Gedanken zu Kim Fowley (1939 - 2015)

Die kleinen Geschichten zu Spät Gekommener aus der Ferne über jene, die zur rechten Zeit am rechten Ort waren

Als ich gestern Nacht von Kim Fowleys Tod las, postete ich nach kurzer Suche das erste Stück, was ich je von ihm hörte auf mein Facebook-Profil: "The face on the factory floor". Einer Spex-Rezension folgend hatte ich blind "Bad news from the Underworld" im Plattenladen geordert. "Ah, auf Lolita, so ein 60s Label" meinten sie noch beim Heartbeat - und dann das Cover, der scharfkantig verknitterte Typ mit eiskalt stechendem Blick in der roten Lederjacke, Cowboystiefel über die Arme gestreift, wirklich verstörend, im Gegenzug zu so mancher Post-Industrial Angstmacherei, die der wundervolle Laden im Programm hatte. Wie das klang, was so gar nicht zu passen schien, wollten sie dann doch wissen, nach der Hörprobe orderten sie ein Exemplar für's Regal ... P-p-p-p-polaroid p-p-p-p-people.

Vielleicht war das sein Rezept, sich einschleichen und sichtbar Platz nehmen. Einfach das, was er aus sich, als kränkelndes Kind, als schillernde Figur mit seinen Obsessionen und seinem Talent rausholen konnte: auf eine enorm ungelenke Weise sein noch weit enormeres Gespür für Trends zu zelebrieren. Eigentlich hatte ich ja längst von ihm gehört, er, der "King of the Night Time World " auf Kiss' "Destroyer" und als "Torpedo"-Sample auf der "Unmasked" - wusste ich nur nicht. Sehe mich heute noch eine gekoppelte Ausgabe von "Outrageous" und "Good clean fun" wieder ins Fach des Second Hand Ladens zurückstellen, bei Discogs gibt's die aber gar nicht, vielleicht nur ein Popbubi-Traum. "Visions of the Future" kam dafür mit, das mit Skip Battin zusammen geschriebene "ESP Reader" hab ich zig Leuten auf irgendwelche Cassetten-Compilations gepackt. Es steht dem Stück, daß es sich einer Web Präsenz entsagt. Es passt zum Text und sicher zu den tausend kleinen und mittelgroßen anhängenden Geheimnissen, die Fowley vielleicht nicht mal seinen besten Freunden verriet. Zur realen Erscheinung Fowleys passte es sicher nicht. War er überhaupt wirklich real? Einmal schien mir so, als er auf der noch locker zu enternden Popkomm mit Kurt Kreikenbom verabredet war. Da tauchte er in der Menge auf, markant, irre groß, irre dünn in einem blauen Anzug, wenn ich mich denn recht entsinne. Die Präsenz eines Marquis de Sade der bei jeder der in "Rock Dreams" skizzierten Rolling Stones Parties seine irre schmackhaften Käsekracker zum geheimem Top-Seller machte. Koks und Sünde umsonst, aber Kims Käsekracker für 12 faire Dollar, davon schwärmen sie heute noch - so stellte ich ihn mir vor und hatte ein wenig Angst. 

Die wahren Geschichten habenin meinem Bekanntenkreis viel eher Kurt oder Jan Lankisch (der 2012 Fowleys letztes Konzert in Köln orgnisierte) und jenseits davon zig andere zu erzählen. Ich mochte ihn aus der Ferne, wär auch nicht näher dran gekommen und wünschte, der Mythos hätte nicht irgendwann auch die Macht über sein enormes musikalisches Vermögen gewonnen. Das Monster lebt. Aber wenn dem wirklich so sein sollte, dann hat er es auch gewollt. Dafür führte er ein Leben in Unmöglichkeiten: die English Disco, also bitte, die kann sich doch nur ein Todd Haynes ausgedacht haben (vielleicht nach einem Besuch im King Georg) und jemand der auf der ersten Zappa auftaucht, dann dem leidenden Gene Vincent zur Seite stand, Minderjährigen zu was weiss ich und Popruhm verhielf, sowie den vier Modern Lovers Gene, Paul, Ace und Peter erzählte, wie der Hase läuft, wenn er denn nicht gerade hoppelt oder in dunklen Erdlöchern verschwindet, so einer kann eigentlich sowieso nur ein moderner Mythos des Popzeitalters sein, eine Idee, eine Maske. Es sei, es hätte ihm die große Vicky Leandros einmal die Hand aufgelegt, dann, ja dann würde ich ihn mir als einen Lachenden, Verzweifelten, Siegenden und Leidenden unter uns vorstellen. Aber das wäre ja alles zu irrwitzig, als daß es wirklich jemals hätte sein können.

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