Donnerstag, 23. Januar 2014

Oh dear! Oh dear! I shall be too late! - Musikliste 2013


Die Erwartungen waren groß und sie wurden ein klein wenig enttäuscht. Doch ich genoss es schon allein, große Erwartungen zu haben oder wieder Freude auf Konzerten. Etwas müde setzte 2013 Ideen fort, die in den Jahren davor angedacht wurden. Zugleich scheinen sich einzelnene Namen zu etablieren, ein Prozess der Erosion. Ein gemeiner Effekt des Alterns, man meint, Regeln zu erkennen, ahnt die Fragilität all der Illusionen aus denen Pop nunmal besteht. Komplett? Keine Ahnung. 




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 LP's
 

1. These New Puritans - Field of Reeds (Infectious)
Schlafwandlerisch, ja bewusst undeutlich, singt Jack Barnett umkreist von Waldhörnern, ein Chor antwortet lautmalerisch. Nur selten attackieren harte Beats, gleich der Windböe im Field of Reeds, die Ruhe aus der hier alles erwächst. Keine friedliche Ruhe.
 

2. Lucrecia Dalt - Syzygy (HEM)
Rhythmen, die emsigen Insekten gleich durch die Stücke huschen. Derweil hypnotisiert uns Dalts schlafwandelnde Stimme. Musik gemacht, um sie des Nachts in dunklen Räumen zu erleben, irgendwo glimmt eine LED oder Röhren flackern blass.


3. Julia Holter - Loud City Song (Domino)
Einbruch des Weltlichen. Befremdet, gleich einer Zeitgereisten, wandelt Julia Holter durch die wohlhabenden Vororte von Los Angeles. Dennoch bleibt sie selbst die Fremde, fern der Unmittelbarkeit einer Soulsängerin, aber mit einer subtil bewegenden Vision.

4. Braids - Flourish // Perish  (Arbrutus/Full Time Hobby)
In glockenklarer, aber durchaus fein nuancierenden Eleganz tanzt Raphaelle Standell-Prestons Gesang sowohl durch die freundlichen Stücke der „Fourish“ Platte, wie auch die dunkleren Stimungen des „Perish“ Albums. So vermag ein Stück im Club zu tanzen, während der Kopf in den Farben von Pentangles „Reflection“ träumt.
 

5. Girls Names - The new Life (Tough Love Records)
Unterwegs in einem Wald. Es ist dunkel. Und auch die Bäume blicken trist. Jenseits (oder inmitten?) solcher Kalauer haben sich Girls Names aus ihrer Post C86 Verpuppung befreit und  sehr elegante graue Flügel geöffnet. Sie nehmen sich die Zeit, in schönen Pirouetten durch die Nacht zu flattern.
 

6. Blue Hawaii - Untogether  (Arbrutus)
Aber letztlich doch zusammen. Das Paar von Braids in einem so intensiv verflochtenen Werk, daß "Untogether" als Beschreibung eigentlich kaum denkbar ist. Als fragile Glassfigur gestaltete Musik versucht sich an Näherungen. Das ist mehr, als die Eitelkeit vergleichbarer Duett-Alben vor 15 Jahren.
 

7. Chelsea Wolfe - Pain Is Beauty (Sargent House)
Auch zum Teil eine 90er Idee, diese blutete damals ein in Klischees aus und wird seit einiger Zeit mit Twang Gitarren Klischees einer neuen Generation belegt. Doch eigentlich ist hier wenig sicher, eher ein Weg durch einen Irrgarten aus Eibenhecken. Eine trotz allem zurückhaltende Form der Selbstdarstellung.
 

8. Naadyn - Galaxy (Phantasma Disques)
Wäre vielleicht auch von dem Gedanken angetan, weniger zurückhaltend zu agieren. Aber als Geisterwesen, was bleibt ihr anderes übrig? Diese seltsame Nischenwelt dieser Daseinsform ist nicht weniger eigentümlich im Musikalischen, oder doch so einfach? Geisterhouse? Sie scheinen darin aber zu tanzen, ab und an.
 

9. Soft Metals - Lenses (Captured Tracks)
Irgendwas, um sich darauf auszuruhen, irgendwas aus Krautelektronik und Disco aber in einem anderen Kleid oder ist es ein Hosenanzug? Ein unaufdringliches Close Up von jenen, die gekommen waren um zu gehen.

 Ausser Konkurrenz: Fear of Men - Early Fragments (Kanine Records)

Erstmal nur die Single Compilation. Nicht "going steady" aber "being exciting". Formal ist das alles so endlos durchgespielt worden, die charmanten Jangle Gitarren, der Mädchengesang, was es ist, daß sie mich weinen machen, ich weiss es selber nicht genau. "Bessere Songs", hätte ich wohl früher behauptet.





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Singles

 1. Diana - Perpetual Surrender (Jagjaguwar)

Dieses abstrakte, scheppernde Outro, warum dauert es nicht noch ein paar Momente länger in einem Song, der in so unmittelbarer Maniriertheit davon berichtet, was alles sein könnte, wenn das Empfinden nun nur noch ein paar Sekunden mehr weilt. Welches Empfinden? Na, sag's doch: Sehnsucht - musst Du nicht so rumhadern.

 2. FKA Twigs - EP2 (Young Turks)

Rote Lippen, goldener Schmuck und ellenlange Wimpern als mechanischer Apparat? Oder das Geschöpf eines mitleidenden de Sade, vielleicht ein Alien dessen Augen, nachdem sie eine kristallne Träne weinten ins riesenhafte anschwillen oder doch nur das etwas einsame Mädchen aus Gloucestershire?

 3. New Jackson - Sat around here waiting (Hivern Discs)

Stimmen wie von verstaubten Nadeln abgetastet zu einer angriffslustigen Tanzflächenmelancholie, die Dir einfach ein Bein stellt, weil sich ja auch darin eine Extase finden ließe. Doch Du wartest, wie immer.

 4. Chinawoman - Kiss in Taksim Square (Self released)

Etwas von Borsigs "Hiroshima", so denke ich stets, dabei ist der Hedonismus in der politischen Geste hier bewusst und eigentlich unverfänglich, Freiheit und darin hinein sägende Gitarren. "Wir waren so glücklich"...

 5. Les Fils du Calvaire - Femme d'Affaires (Circus Company)

Das war vielleicht gar nicht politisch gedacht und musste dann doch auf Chinawomans Pfad auf eine neue Welle von Ausgrenzungen, nicht nur in Frankreich, antworten. Grimmig aber schon im eigentlichen Anliegen, der Beschreibung des Rumschweifens.

 6. JaKönigJa - Ich bin Stoff und du bist Geist (Hanseplatte)

Der schweift auch , aber in Worten durch ein Haus aus Worten. Diese Faccette des Lebens in den alten Gemäuern an den sturmumtobten Hamburger Klippen lässt sich von der eigenen Beschwingtheit nicht ins Bockshorn jagen. Vertraute Fremde.
 
 7. Boy Friend ‎– Secret City EP (Night People)

Tragödien, solche zu denen Tauben weinen hinter den Schleiern, die sich als modisches Accessiore doch eigentlich gar nicht im Klang manifestieren müssten. Dabei verdecken sie hier wirklich, statt zu verschleiern, denn die Dramen leben so vielstimmig, wie auf dem wundervollen Album aus dem Vorjahr.

 8. Sampha ‎– Dual EP (Young Turks)

Manchmal dachte ich, das sei nun doch ein Clubtrack oder eine Singer Songwriter Platte, aber es lotet den R&B Rest nur in beide Richtungen aus ohne seine Mitte zu verlieren. So verletzt wie er klingt, fast ein Wunder. Ab und an frag ich mich, was Michael McDonald daraus produziert hätte.

 9. Sally Dige ‎– Forget Me / Losing You (Night School)

Das Problem, nicht vergessen zu werden oder was es nur ist, das da an einem zerrt. Auch tausendmal praktizierte Verneblungskunde, im Vorführeffekt aber so nachdrücklich! Schwarze Romantik bei Füssli.

10. Golden Teacher - Bells from the deep end (Optimo)

Zähnefletschend feixend über "Just an Illusion" mit Drahtseilen die Tanzfläche umspannen, falls es später beim weiteren Geschehen zu Stürzen kommen sollte. Es ist wohl mitunter viel besser zu fragen, ob man an die Grenze gehen kann, als diese Grenze wirklich aufzuzeigen.

11. Valentina - Wolves (Greco Roman)

Das Problem, nicht vergessen zu werden, da Fangzähne an einem zerren. Hier die praktizierte Fusion im Nebel der Ereignisse: Werde ich mich verwandeln oder kriegen sie mich? Schwarze Romantik bei Kate Bush.
 
12. JODY - Magique EP (Self released)

Auch so ein bewusst unfertiger R&B. The Rain revisited, Nieseltränen auf dem Heimweg. So viel Elegie gab es nicht mehr nachdem die Penguins bei 4AD aufgehört hatten. Oder nannten sie sich dann nur M.A.R.R.S.?

Photos: These New Puritains von Sabrina Roels

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