Sonntag, 27. Januar 2013

Musikliste 2012 - Der späte Vogel singt die süssesten Lieder?

Und plötzlich war es soweit. Ich hätte es wohl 2008 ahnen sollen, vielleicht auch beobachten können, aber mir wurde nicht klar, was aus diesen, vielfach ironisch gebrochnenen, Spielereien mit 80er Stilistiken wachsen konnte. Daß hier wirklich eine neue Soundästhetik geschaffen wurde und in ihr dann sogar der Versuch, an den Begrenzungen des Ironischen vorbeizukommen. 1993 habe ich keine Jahrescharts notiert. Das Jahr erschien mir als eine Enttäuschung. Heute sehe ich in ihm die letzte größere Ansammlung von Alben, die mich wirklich begeisterten (Freestyle Fellowship, Caetano & Gil, Phish, Randy Travis, Plastikman). Aber eine Passivität, ein Suchen in Nischen zeichnet sich ab, welches dann alle Listen, die bald von mir anfragt und abgedruckt wurden, prägte. Nie hatte ich Probleme mit der Höchstzahl möglicher Nennungen. 2012 hatte ich sie. Kann sein, in Folge einer gewissen Euphorie. Ob mich "Commotus" in 19 Jahren noch so begeistert wie "Innercity griots", wird die Zeit zeigen. Am Ende erzählen solche Listen ja etwas über den Menschen, der sie erstellt, sein Denken und Leben und vielleicht auch etwas über die Zeit.

LP's

 













1. Lucrecia Dalt ‎– Commotus  (Human Ear Music)
Eine Western Gitarre träumt sich durch eine Wüstenlandschaft um der Perkussionsfigur eines verschleppten Boleros zu weichen. Dazu singt die verhallte Stimme von Vorsicht und Wagnis. Dann hält die Musik komplett inne, bis uns eine vorbeifliegende Fledermaus aufschreckt. Wir hören ihren Ultraschall-Ruf.
2. Boy Friend ‎– Egyptian Wrinkle  (Hell, Yes! Records)
Tragische Romantik. Hinter schwarzen Organza Vorhängen tuscheln Spitzenklöpplerinnen über die Leiden der Schönheit. Davon, daß es doch schmerzt, wenn der Falsche geht und davon, wie süß es sein könnte - aber da sehen wir, wie die Nadel den Finger sticht und verlieren uns. (Noch besser als Sleep∞Over)
3. Nite Jewel ‎– One Second of Love  (Secretly Canadian)
Ihre Sprache ist nun eine elektronische Version des sophisticateten Blue Eyed Souls der 80er: Isabelle Antena, Everything but the Girl oder Baisa klingen an. Der Gesang sucht keine großen Effekte, subtile Melancholie schimmert selbst aus den leichtfüssigsten Hooklines. Einst zeigte diese Musik dem New Wave Klischee die lange Nase.
4. Tops ‎– Tender Opposites  (Arbutus Records)
Versuch, sich mit diesen Stimmen, die nach falscher Drehzahl klingen, anzufreunden. Hier verfügt sie über genug Ausdruck, mit ihr zu wollen, dorthin, wo der ideenreiche Gitarren Pop seine melancholisch süßen Figuren zeichnet.
5. Andy Stott ‎– Luxury Problems  (Modern Love)
Deutlich mehr Struktur klingt auch nach deutlich mehr Arbeit. Deutlich mehr Struktur klingt auch nach deutlich mehr "Kopf ab!". Deutlich mehr Struktur klingt auch nach deutlich mehr Album. Deutlich mehr Struktur klingt auch nach Industrial R&B.
6. Paco Sala ‎– Ro-Me-Ro  (Digitalis Recordings)
Auf dieser Ebene der Verführung könnten die Gesten Schwindsucht meinen, wenn damit dann das 19. Jahrhundert in den HipHop einkehrt um einem Picknick im Freien beizuwohnen bei dem keinem der Beteiligten große Sprüche einfallen müssen.
7. The National Jazz Trio Of Scotland's Christmas Album  (Karaoke Kalk)
Völlig unmittelbar rührt der zarte Ernst dieser Interpretationen, selbst Stilmittel wie gesampeltes Hundebellen passen sich ein. Wie einem diese Lieder noch einmal gerettet werden macht sprachlos.
8. Alice Cohen ‎– Pink Keys  (Olde English Spelling Bee)
Hier nun die Lebenserfahrung vieler begangener Seitenstraßen in einer gänzlich neuen Idee dessen, was denn "Singer-Songwriter R&B Pop" sein könnte.
9. Holly Herndon ‎– Movement  (Rvng Intl.)
Die Künsterlin, die so schön atmet. Was wohl Anne Gillis dazu sagt?
10. Julia Holter ‎– Ekstasis  (Rvng Intl.)
Überlagernde Melodiefragmente, ähnlich denen der Minimal-Music, vollführen kleine Dramen in antiker Klarheit. Wohl wissend, daß das so erhabene Weiss antiker griechischer Skulpturen einst von bunten Farben bedeckt war, appliziert sie Schicht um Schicht auf ein avantgardistisch anmutendes Projekt und erhält so eine sehr persönliche Songwritermusik.
11. Dwight Yoakam ‎– 3 Pears  (Warner)
Welch Wunder, da wartet er nach sieben Jahren mit einem so frischen, wie Ideenreichen Werk auf. Potentielle Hits, nur wohl mit zu wenig quietschender Stadionrockgitarre um jugendliche Country Fans zu begeistern. Dafür aber voller Akzente (Bläserarrangements!), sensibler Kniffe (Beach Boys Harmonien!) und ausgefeiltem Songwriting.
12. Hans Süper ‎– Kölsche Jung  (GMO)
Die rheinische Seele des Bossa Nova.
13. THEESatisfaction ‎– awE naturalE  (Sub Pop)
Den Vertigo nach Vorne marschieren zu lassen, als Groove in einer etwas bessere Welt. Selbstbefreiung des Retro Nuevo Souls zu einer Musik der Zukunft.
14. Dr. John ‎– Locked Down  (Nonesuch)
Sind es Hunde, die da draußen heulen, oder die Stimmen der Kinder?
15. The Spaceape ‎– Xorcism  (self released)
Candomblé-Tänzer in einem mannshohen Maisfeld. Jemand hat Messer eingeschmuggelt.
16. White Car ‎– Everyday Grace  (Hippos in Tanks)
Ein langer Tunnel, einige Lichter flackern, eine Kurve ohne Ende, dann, sanfter Richtungswechsel, weiter und weiter ziehen die Abgase schwarze Linien auf weissgetünchte Wände. Natürlich aus Beton.
17. Django Django ‎– Django Django  (Because)
Neulich auf dem Campus und doch um einiges wunderbarer, als einfach nur klug und clever. Vielleicht ein Handreichen der Jam-Bands mit dem Zappelhipster, also von Campusecke zu Campusecke.
18. Eyeless In Gaza ‎– Butterfly Attitude  (Downwards)
Das Auffunkeln haben ihre Zeitgenossen komplett verlernt, im Schrecken des Alterns. Doch Altern hatten die Beiden stets eingeübt. Nun als Blues?


Singles/EP's











 


1. Fear Of Men ‎– Green Sea  (Sexbeat)
Push the splinter deeper - Underground in the vein - Too much blame to leave it all to chance - Antikes Drama als präzise gestaffelten Neuerfindung einer Creation 7". Revolving Paint Dreams ungelebter Triumph in Prometheus Schatten.
2. Jessie Ware ‎– Running  (PMR Records)
Modern Soul retten - a) elegantes Drama, Sades Verzweiflung.
 3. Les Demoniaques ‎– Teenage Lust  (True Panther Sounds)
Mit scharfer Klinge gesticktes Kissenmotiv einer fauchenden Katze.
4. Azealia Banks ‎– 1991 EP  (Interscope Records)
Wenn der Hit des vorletzten Jahres erst im November erklingt und sich zu einer Reminiszens an das Vougeing aufschwingt.
5. School of Seven Bells ‎– Love From A Stone (= B Seite) (Full Time Hobby)
Als R&B Band begeisternd. Oh, diese stillen Hits!
6. Twigs ‎– Twigs EP  (self released)
Als R&B einer neuen Zeit begeisternd. Oh, diese zarte Hipness.
7. Jessie Ware ‎– 110%  (PMR Records)
Modern Soul retten - b) architektonisches Tanzen über Breakbeats. 

8. Evy Jane ‎– Sayso  (King Deluxe)
Sie nennen es " experimental R&B".
9. Wild Nothing - Shadow  (Captured Tracks)
Eigentlich klang das ganze Album so elegant.
10. Tiers ‎– October  (bandcamp.com)
Hier warteten im letzten Jahr Blouse. Neugotisch.
11. Jessie Ware ‎– Strangest Feeling  (PMR Records)
Modern Soul retten - c) Das Schwelgen im Lichte aktueller Pop Ideen. 
12.  Zebra Katz ‎– Ima Read  (Jeffree's)
Englische Erziehung im HipHop.
13. Teleoptyk - Sacrifice  (Alfa Matrix)
1985er Technik mit neuen Maschinen. Ein älterer Herr blickt noch mal in die Runde und knipst die Cyber-Leuchte aus.
14. Red Stars Over Tokyo ‎– 4 song 12" (Hot Hair)
 Tormented war ein guter Versuch, den Geisterfilm neu zu beleben. Night of the Eagle ebenso. Warnungen wollten sie sein.
15. Jack Dice ‎– Block Motel  (Modern Love)
Hier stand im letzten Jahr Zomby. Diesmal mit mehr Nuancen.
16. Daugther ‎– Smother  (4AD)
Altes England, Deine Geschichten von versunkenen Seemännern lassen Dich nicht los.
17. Wild Nothing - Nowhere  (Captured Tracks)
Nochmal mit einem Rest alter Spröde.
18. Chairlift ‎– I Belong In Your Arms  (Young Turks)
Wenn das 90er Revival neue Texas bringt, mag ich auch deren Remixe. Kommende Stars.
19. Linea Aspera - Kinabalu  (Linea Aspera II / self released)
Doch, einmal, Alain Végas Tochter.
20. Martyn ‎– Hello Darkness  (Brainfeeder)
We are you in the future, so heisst ein Track, ein Mann hustet, es scheint ernst, der Bass setzt ein: Night after night. 


(Ziffern dienen der Orientierung und vielleicht später dem Wunsch nach Revision.)

1 Kommentar:

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