Montag, 31. August 2009

Manövercritque


Philippe Manoeuvre, ein guter Name den man, wird man nicht damit geboren, sich ausdenkt um ein wenig Furore zu machen. Monsieur Manöver schlüpft für Arte ab und an in die Lederjacke und erinnert sich an seine tollsten Tage, die er als verdienter Redakteur bei Metal Hurlant verbrachte, um gleichzeitig auch eine ordentliche Karriere als Popjournalist hinzulegen, zu einer Zeit, als dieser Beruf noch Rockjournalist hieß und es was zu schreiben gab. Philippe Manoeuvre also wählt für Arte Stücke aus "Top of the Pops" Sendungen, um einen thematisch geordneten Querschnitt der 70er abzuliefern: Vorgestern oder so war Punk dran und da fiel mir etwas auf, was mich erfreulich beunruhigte.
Lange Zeit sah ich nur eine schmale Linie zwischen dem technisch reduzierten und dafür aufgespeedeten Rock und den seltsameren stilistischen Grenzexkursionen, in welche sich Punk leicht aufteilen lässt. Das Eine war in Vielem würdigenswert, toll aufregend aber eben auch redundant, letztlich nur wieder mehr vom Selben. Dieses Eine wurde mir Vorgestern oder so mittels Gen X und den Ramones präsentiert und es klang so harmlos: Bubblegum Songs runtergerasselt, Kinderlieder zickig vorgetragen von süß linkischen Posern. Das wirklich Schönste waren die völlig unproduzierten Stimmen. Eine Dünne, ja spindeldürre, sehr reine und doch auch sehr harmlose Musik. Es folgten die Specials und sie fegten diesen Eindruck weg. Bald waren die anderen Songs vergessen ausgemustert vom überheblichen Schlafzimmerblick Terry Halls, als sei er der neue Drahtbesen-Trainer im Aufsteigerclub. Und seine Mannschaft (die ja historisch korrekt nie seine Mannschaft war) zeigte Wundersames: Echte Aggression und eine musikalische Kraft die auch heute nachklingt.
Ich mochte es nachprüfen: Clash - White Riot, irgendwas von Eater, die einst verehrten Buzzcocks, alles Kaffee der zur Hälfte am Filter vorbeigesickert war. Punkgrößen mit wenig Reiz, außer daß sie schick aussahen. Komisch, die im selben Territorium agierenden Adverts kommen recht gut davon, ebenso wie die drei, vier starken Sex Pistols Stücke und Damneds "New Rose". Bei anderen funktioniert fast alles: Siouxsie and the Banshees, Wire, Kleenex, Slits, Raincoats ja auch Stranglers.
Eine interessante Zeit, es wäscht sich das Unmittelbare des Sounds ab. Nach Zehn Jahren klingt Musik langweilig, nach 20 hip und nach 30 Jahren sehr befremdlich aus einer anderen Zeit, es wird nötig die Musik neu zu lernen, sie mit anderen Klängen ihrer Zeit in Verbindung zu bringen, archäologisch zu hören. Das würde einigen der nun ausgelaugten Punkaufnahmen etwas zurückgeben, doch bleib ich erstmal bei den Dingen die heute eher unfassbarer denn je erscheinen. Denn das ist die andere Seite des Punk-Hörens 2009: Wieviel unglaubliche Musik dennoch zwischen 1976 und '79 aufgenommen wurde.
Die Distanz wird größer, manches verschwimmt aus seiner glanzvollen Historie in das tiefe Dunkel des Mittelmaßes, also dahin, wo heute fast alle besseren Musikveröffentlichungen mit Schmackes durchstarten. Am Ende des Manövers bleibt die Vorstellung des Triumphs.